Clearingverfahren

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Das Clearingverfahren

Das Clearingverfahren ist ein siebenstufiges hochstrukturiertes Verfahren und wurde im Rahmen des Modellprojekts „CleaR-Clearingverfahren gegen Radikalisierung“ an sechs Schulen in Nordrhein-Westfalen und Berlin erprobt. Bei der Begleitung von Jugendlichen, die Gefahr laufen sich zu radikalisieren, ist es wichtig, dass sowohl die Beratung der Jugendlichen als auch deren Umfeld in der Hand von Personen liegen, die sich über einen längeren Zeitraum der Beratung annehmen können. Hierbei steht ein ganzes Bündel von Methoden und pädagogischen Maßnahmen zur Verfügung, die helfen sollen, eine Radikalisierung zu unterbrechen oder zu verhindern.
Das Clearingverfahren führt bestehende Strukturen in Sozialraum und Schule zusammen und ermöglicht dadurch eine Vernetzung aller relevanter Akteure. Durch die Ressourcen, die in dem Clearingverfahren zusammengeführt werden, entstehen so neue Helfernetzwerke, die eine umfassende und nachhaltige pädagogische Intervention ermöglichen.

Die Schritte des Clearingverfahrens im Überblick:

1. Schritt: Vorrecherche

Das Clearingverfahren startet dann, wenn ein Hinweis auf eine mögliche Radikalisierung eines*einer Schüler*in an den*die Clearingbeauftragte*n herangetragen wird und diese in der Vorrecherche tatsächlich Anhaltspunkte für eine beginnende Radikalisierung feststellt. Die Vorrecherche beinhaltet vor allem Gespräche mit der Lehrkraft, die den ursprünglichen Hinweis gegeben hat, unter Umständen gehört auch die Ansprache von weiteren Lehrer*innen dazu. Die Erfahrung im Projekt hat gezeigt, dass in dieser ersten Phase die meisten Unsicherheiten auftauchen, da die Problemlage selten eindeutig ist. Es muss also immer genau abgeklärt werden, ob es sich um einen Fall für das Clearingverfahren oder aber um einen Fall für die Schulsozialarbeit handelt. Diese Einschätzung ist oft nicht einfach und muss bei jedem Fall individuell vorgenommen werden. Unsicherheiten bei dieser Bewertung rühren oft daher, dass eine beginnende Radikalisierung und andere Problemstellungen wie familiäre oder schulische Probleme meist Hand in Hand gehen. Auffällige Veränderungen im Verhalten und den schulischen Leistungen von Schülerinnen und Schülern sind in der Regel der Anlass zur Sorge für Lehrkräfte. Doch die Veränderungen können mitunter viele Auslöser haben. Wichtig ist daher, im Clearingverfahren zunächst zu überprüfen, ob die Hinweise Substanz haben und tatsächlich auf eine Radikalisierung hindeuten oder ob es sich um unbegründete Befürchtungen handelt.

2. Schritt: Clearingteam – Information an alle Akteure

Wenn der beziehungsweise die Clearingbeauftragte aufgrund der Vorrecherche zu der Einschätzung gelangt, dass eine beginnende Radikalisierung möglich ist oder bereits stattfindet, muss dies im Clearingverfahren geklärt werden. Zunächst wird das Clearingteam einberufen, um alle schulischen Akteure zu informieren. Hilfreich kann es dabei auch sein, Partner aus dem sozialraumbezogenen Netzwerk einzubinden. Das können zum Beispiel das Jugendamt, die Polizei oder auch Trainerinnen und Trainer aus Sportvereinen oder sonstige externe Bezugspersonen des betreffenden Jugendlichen sein.

3. Schritt: Vertiefte Recherche

Die vertiefte Recherche dient dazu, sich ein ganzheitliches Bild der Situation zu verschaffen. Hierbei können vor allem Methoden der systemischen Beratung hilfreich sein. Der beziehungsweise die Clearingbeauftragte erstellt eine Analyse des sozialen Umfelds der betroffenen Jugendlichen, vor allem durch Gespräche mit Eltern, Jugendlichem und Lehrkräften oder anderen Schlüsselpersonen. Hierbei können Ressourcen für die weitere Fallbearbeitung generiert werden in Form von Bezugspersonen, zu denen die Jugendlichen Vertrauen haben. Zudem ist es in dieser Phase wichtig, die für die Fallarbeit unabdingbare Beziehungsarbeit zu beginnen – mit allen Akteuren, vor allem aber mit dem Jugendlichen. Die vertiefte Recherche dient außerdem dazu, den Grad der Ideologisierung und auch mögliche bereits vorhandene Szenekontakte abzuklären.

4. Schritt: Clearingteam – Beschluss von Maßnahmen

Die pädagogische Fachkraft stellt in einem weiteren Treffen die Ergebnisse der vertieften Recherche vor. Gemeinsam berät das Clearingteam nun über die pädagogischen Maßnahmen und formuliert Ziele, die im Clearingverfahren erreicht werden sollen. Ziele können hier beispielsweise ein erfolgreicher Schulabschluss oder das Unterbrechen von gewaltbefürwortenden Tendenzen sein, oder auch die Förderung von Interessen und Fähigkeiten, welche die Resilienz gegenüber extremistischen Positionen stärken. Als positiv wirksam haben sich hier vor allem Methoden der systemischen Beratung erwiesen, aber auch narrativ-erzählende Ansätze, die vor allem auf der Grundlage einer guten Vertrauensarbeit zu einem erfolgreichen Abschluss des Falls beitragen können.

5. Schritt: Durchführung der Maßnahmen

Bei der Durchführung der Maßnahmen ist es wichtig, dass alle Mitwirkenden gegenüber dem Jugendlichen Präsenz zeigen und als starke Allianz auftreten. Die Maßnahmen müssen nicht von der pädagogischen Fachkraft des Projekts durchgeführt werden, sondern können auch an andere Akteure delegiert werden.

6. Schritt: Clearingteam – Evaluation der Maßnahmen

Nach einer vorher festgelegten Zeitspanne ruft die pädagogische Fachkraft das Clearingteam erneut zusammen. Gemeinsam wird überprüft, ob die Maßnahmen zum Ziel geführt haben oder ob man gegebenenfalls umsteuern muss.

7. Schritt: Weiterführung der Maßnahmen

Schritt 6 und 7 können sich wiederholen, bis die Ziele im jeweiligen Fall erreicht sind.

 

Der*die Clearingbeauftragt*e

Aufgabe des*der Clearingbeauftragte*n ist es in erster Linie, die Steuerung des Clearingverfahrens zu übernehmen. Hierzu gehört insbesondere das Clearingteam (bestehend aus Schulleitung, Schulsozialarbeit, der Lehrkraft die den Hinweis gibt, ggf. der Abteilungsleitung und weiteren Personen, die mit dem Fall betraut sind) einzuberufen und die Sitzungen zu leiten. Wesentlicher Bestandteil des Clearingverfahrens ist das Mehraugenprinzip. Alle Entscheidungen werden gemeinsam abgewogen und getroffen. Die Maßnahmen muss nicht unbedingt der*die Clearingbeauftragte selbst durchführen, sondern kann diese auch beispielsweise an die Schulsozialarbeiter*in delegieren.
Zusätzlich zu den Aufgaben die im Prozess des Clearingverfahrens anfallen, übernimmt der*die Clearingbeauftrage auch die Planung der sogenannten flankierenden Maßnahmen. Hierbei handelt es sich um Maßnahmen im Bereich der politischen Bildung oder der universellen Prävention. Es gibt bereits sehr gute Angebote zu der Thematik, die von anderen Organisationen wie beispielsweise cultures_interactive e.V. oder Ufuq e.V. angeboten werden und die man an die Schule einladen kann.

Voraussetzungen für Radikalisierungsprävention im schulischen Kontext

Um eine gelingende Präventionsstruktur an den Schulen zu implementieren, ist es unerlässlich, einen gemeinsamen Präventionsbegriff zu formulieren. Auch die präzise Formulierung der Präventionsziele geht hiermit Hand in Hand. Klar muss sein, was genau verhindert werden soll und wo die Prävention ansetzt. Klärungsprozesse in diesem Bereich sind daher so wichtig, weil nicht jede unliebsam erscheinende Form von Religiosität Gegenstand von präventivem Handeln sein kann. Auch die Zielgruppenproblematik stellt sich in der Präventionsarbeit. Um Stigmatisierung und negative Markierung zu vermeiden ist es wichtig, dass Zielformulierungen und Ansprachen keine bestimmte soziale, ethnische oder religiöse Gruppe im Lebensraum Schule gesondert hervorheben. Hier sollte auch betont werden, dass sich alle Akteure zwar auf akzeptierte Indikatoren für eine Radikalisierung verständigen sollten, diese aber niemals als eine Art Checkliste betrachtet werden dürfen, da es keine wissenschaftlich erwiesenen Indikatoren gibt, die eine Radikalisierung anzeigen können.
Für eine erfolgreiche Präventionsarbeit braucht es eine funktionierende Steuerung. Da alle relevanten Partner aus dem schulischen und nicht-schulischen Bereich in einem Netzwerk zusammenarbeiten sollen, braucht es eine funktionierende Steuerung und einen Netzwerkmoderator. Dies sind in diesem Fall die pädagogischen Fachkräfte die an den Schulen arbeiten. Ihnen obliegt auch die Funktion des Monitorings eines Falls. Neben der Zusammenarbeit aller relevanter Präventionsakteure aus Schule und dem außerschulischen Bereich sind Meldungs- Kommunikations- und Handlungsroutinen einzuüben. Diese sollen helfen, die Zuständigkeiten aller relevanten Akteure zu klären.

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