Prävention und Radikalisierung

Der Präventionsbegriff in den Vorgängerprojekten lautete lange:

„Prävention hat die Aufgabe, mögliche Problemlagen frühzeitig zu identifizieren, bestehende und mögliche Risiken kritisch und richtig einzuschätzen und auf der Grundlage dieser Einschätzungen spezifische Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen, um unerwünschte Verhaltensweisen zu verhindern. Das Projekt zielt durch Prävention auf die Unterbrechung von Radikalisierung und fördert die Generierung von Schutzfaktoren. Prävention richtet sich hierbei gegen gewaltorientierte, menschenfeindliche und demokratiefeindliche Äußerungen, Einstellungen und Handlungen.“

Diesen Begriff haben wir im Rahmen der Weiterbildung gemeinsam mit den Teilnehmenden und der Netzwerkarbeit weiterentwickelt. Denn was ist eine „Problemlage“? Wer definiert also, was ein Problem ist und was bedeutet es, Risiken „richtig“ einzuschätzen; für wen wieso mit welchem Ziel „richtig“? Was sind „unerwünschte Verhaltensweisen“; für wen sind sie wieso unerwünscht? Wo fängt „Radikalisierung“ an und welche Vorannahmen lassen uns behaupten, etwas sei radikal? Inwiefern können und sollen wir uns als Akteur:innen der politischen Bildung bzw. als schulisches Personal „gegen […] Einstellungen“ richten?

Gelingende Prävention setzt ein einheitliches Verständnis von Konzepten und Begrifflichkeiten an einer Schule voraus, um ein gemeinsam geteiltes Bewusstsein bei allen Beteiligten des Clearing-Teams zu schaffen. Ziel ist nicht, dass das Clearing-Team wissenschaftliche Definitionen rauf und runterbeten kann. Vielmehr geht es um eine Sensibilität für die Vielschichtigkeit von Radikalisierungsprozessen und die Vielfalt verschiedener Präventionskonzepte.

Im Projekt orientieren wir uns an den Ausführungen Ulrich Bröcklings zu Prävention: „Man tut etwas, bevor ein bestimmtes Ereignis oder ein bestimmter Zustand eintreten, damit diese nicht eintreten oder zumindest der Zeitpunkt ihres Eintretens hinausgeschoben wird oder ihre Folgen begrenzt werden.“ Unser Verständnis von Radikalisierung umfasst „gewaltorientierte, menschenfeindliche und demokratiefeindliche Äußerungen, Einstellungen und Handlungen“. [1]

 

Gleichzeitig arbeiten wir für „Ambiguitätstoleranz, demokratische Haltung, die Offenheit für neue Perspektiven und individuelle Ressourcen fördern“ und orientieren uns dabei an folgendem Maßstab: „Handlungsleitend [ist] die Orientierung, dass die Freiheit des Einen dort endet, wo die Freiheit des Anderen beginnt.“ [2]

Literatur:

[1] Bröckling, Ulrich (2008). Behemoth. A Journal on Civilisation, 1 (38–48), S. 38. Online verfügbar unter: https://www.soziologie.uni-freiburg.de/personen/broeckling/dokumente/3-pravention-behemoth.pdf

[2] Kiefer, Lisa; Kiefer, Michael; Wurzel, Hanne; Stuppert, Wolfgang; Sträter, Till (2019): CleaR – Clearing Verfahren gegen Radikalisierung.
Praktische Handeichung zur Radikalisierungsprävention im schulischen Kontext. Hg. v. Aktion Gemeinwesen und Beratung e.V., S. 12, online
verfügbar unter https://www.clearing-schule.de/veroeffentlichung-der-handreichung-zum-modellprojekt/.