Am Dienstag, den 01.07.2025, besuchte unsere Projektleitung Dr. Junus el-Naggar eine besondere Ausstellung auf dem Schulhof des Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasiums Wuppertal, einer CleaRNetworking-Schule des Jahrgangs 2025. Gezeigt wurde die multimediale Wanderausstellung Hörbar Nahost im Rahmen des Projekts HörBus Nahost, das in Kooperation mit der Gesellschaft im Wandel gGmbH realisiert wird. Die Ausstellung stammt ursprünglich von der Gesamtschule Nordstadt in Neuss und wird im Zeitraum vom 23. Juni bis 4. Juli 2025 im Rahmen einer Pilotphase an Schulen in Nordrhein-Westfalen präsentiert [1].
Ziel der Ausstellung ist es, Schülerinnen ab Jahrgangsstufe 8 einen multiperspektivischen Zugang zum Nahostkonflikt zu ermöglichen, in dem Schüler:innen sich authentische Stimmen aus Israel, Palästina und Deutschland anhören und darüber ins Gespräch kommen können. Das Angebot richtet sich ausschließlich an angemeldete Schulklassen, die in Durchgängen von maximal 25 Teilnehmenden jeweils etwa 60 Minuten an der Ausstellung teilnehmen können. Neben Audio- und Videoelementen gibt es auch interaktives Material sowie auf Anfrage eine begleitete Reflexionsrunde durch sogenannte Trialog-Pat:innen.
Dr. el-Naggar begleitete den Besuch einer Klasse und nahm an der anschließenden moderierten Reflexionsrunde teil, die von zwei Vertreter:innen des HörBus geleitet wurde. Zu Beginn wurde gemeinsam ein respektvoller „Braver Space“ vereinbart: zuhören, nicht lachen, achtsam miteinander sein – mit der ausdrücklichen Rahmung: Lehrkräfte nehmen in diesem Raum keine führende Rolle ein.
In der Diskussion zeigten sich Schüler:innen beeindruckt und emotional bewegt. Rückmeldungen reichten von „erschreckend“ über „interessant“ bis hin zu kritischen Reflexionen über die Gewichtung der Perspektiven („unausgewogene Wahrnehmung“). Eine Schülerin merkte an: „Ich finde, es gibt kein richtig und falsch, sondern das ist generell schrecklich. Sowas sollte nirgends passieren.“ Ein anderer Schüler zeigte sich bewegt über die Haltung eines Interviewten im Bus: „Ich bin meinen Verwandten in Gaza schuldig, dass wir uns nicht hassen.“
Die Vertreter:innen des HörBus gaben immer wieder Impulse in die Runde und luden Schüler:innen ein, über ihre Eindrücke zu sprechen. “Ihr müsst euch nicht schlecht fühlen”, merkte etwa ein Vertreter des HörBus an, “dafür, dass es euch gut geht. Aber ihr könnt Fragen stellen – mit Eltern oder Lehrkräften.”
Weitere Wortmeldungen zeugten von Interesse und Betroffenheit:
- „Viel mitgenommen, was ich nicht wusste. Erstaunlich, wie man nicht in Hass ausbricht, obwohl Leute sterben. Beeindruckend.“
- „Es ist schwer, sich zu verändern.“ – verbunden mit dem Gedanken, dass Traumata über Generationen weitergegeben werden.
- „Furchtbar, die können gar nicht mehr auf den Straßen unterwegs sein in Palästina.“
- „Einfach mega ungerecht“, dass eine Gruppe über die andere entscheidet, was sie essen können, wann das Internet abgedrosselt wird, ob sie ihnen das Wasser abstellen.
- „Ich find’s total toll, dass das an Schulen gezeigt wird. Wir sind die neue Generation und die Zukunft.“
- „Es gibt verschiedene Realitäten.“
- „Es sollte sowas auch noch für andere Konflikte oder Kriege geben.“
- „Einfach mal nicht mit Hass umgehen, sondern mit Liebe.“
Dass auch der Wunsch nach mehr Zeit für die Ausstellung geäußert wurde unterstreicht den Bedarf an Räumen zur Auseinandersetzung mit komplexen und emotional aufgeladenen Themen – ein Kernanliegen von Demokratiebildung, wie sie CleaRNetworking versteht und fördert.
Das gesamte Setting ermöglichte einen intensiven Austausch, bei dem viele Schüler:innen erstmals eigene Haltungen zu einem Thema entwickelten, das ihnen vorher kaum zugänglich war.
Das Projekt HörBus Nahost wird wesentlich getragen durch das Engagement der Lehrkräfte Dora von Soosten und Mutlu Yolasan sowie der Schüler:innen der Gesamtschule Nordstadt Neuss. Die inhaltliche Basis – das Perspektivenmosaik – umfasst Stimmen von u.a. Ofer Waldman, Nazih Musharbash, Laura Cazés, Jules El Khatib, Alice Kisiya, Peter Lintl, Yonatan Zeigen, Joana Osman, Sapir von Abel, Rabbi Hanan Schlesinger, Maoz Inon, Fabian Goldmann und Jaklin Schilbaya [1].
Aus Sicht von CleaRNetworking war der Besuch ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie emotionale Bildung, Perspektivwechsel und Friedenspädagogik an Schulen funktionieren können. Wir hoffen sehr, dass das Projekt nach der Pilotphase verstetigt und bundesweit ausgerollt wird. Formate wie der HörBus schaffen Räume, in denen junge Menschen lernen, respektvoll über Konflikte zu sprechen, zuzuhören und sich mit der Komplexität globaler Zusammenhänge auseinanderzusetzen. Genau das braucht eine lebendige Demokratie.
[1] Gesellschaft im Wandel gGmbH (o.J.) Hörbus Nahost. Online verfügbar unter: https://israelpalaestinavideos.org/hoerbus-nahost