Am 20. und 21.09.2023 fand in der evangelischen Akademie in Frankfurt am Main der Fachtag „Radikalisierung als Bewältigungsstrategie. Prävention zwischen struktureller und individueller Ebene“ statt. Eingeladen hatte die Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus e. V (BAG RelEX). Teilgenommen hat auch Sören Sponick aus dem CleaRNetworking-Team. Der Fachtag stellte das komplexe Wechselspiel zwischen individuellen und strukturellen Faktoren und Erklärungen für Radikalisierungsprozesse in den Mittelpunkt:  Inwiefern kann Radikalisierung bzw. die Hinwendung zu extremistischen Ideologien und Gruppierungen auch als mögliche Bewältigungsstrategie angesichts struktureller gesamtgesellschaftlicher Problemlagen verstanden werden?  Und welche Implikationen ergeben sich hieraus für die Ausrichtung von Präventionsstrategien und -ansätzen?

Diesen spannenden Fragen gingen die Teilnehmer:innen der Fachtagung in verschiedenen Formaten (Vortrag, Workshop, Fishbowldiskussion) nach. Radikalisierung geschehe nicht im luftleeren Raum und sei nie ein rein auf individueller Ebene zu erklärendes Phänomen, betonte Michaela Glaser in ihrer Keynote. Ihr Vorschlag bestand darin, Radikalisierung als subjektive Bewältigungs- bzw. Problemlösungsstrategie für gesellschaftliche Problemlagen zu betrachten. Es gehe darum zu fragen: Wie macht eine von extern (z.B. von Eltern, Schule, Peers) wahrgenommene Radikalisierung für das Individuum Sinn? An dieser Sinnzuschreibung könnten Präventionsstrategien ansetzen und funktionale Äquivalente bzw. Alternativen anbieten [1]. In der anschließenden Podiumsdiskussion mit Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen aus Prävention und Zivilgesellschaft wurden die von Glaser aufgeworfenen Fragen vertieft. Hier stand die (wie so oft aufgeworfene) Frage im Mittelpunkt [2], welche Rolle jene angesichts der derzeitigen (welt)gesellschaftlichen Herausforderungen übernehmen könne.

Am Abend gab es für die Mitglieder der BAG im Rahmen einer Netzwerkveranstaltung die Möglichkeit zum Kennenlernen und Austauschen, welche gut genutzt wurde.

Der zweite Tag der Fachtagung startete mit einer Reihe von Workshops, die u.a. stigmatisierende Effekte von Islamismusprävention, Antirassismusarbeit oder Gelingensbedingungen der Prävention mit verschiedenen Zielgruppen zum Inhalt hatten. Die Workshops griffen dabei aktuell in der Präventionslandschaft relevante Themen auf und boten ebenfalls reichlich Möglichkeiten zum Netzwerken und Austauschen.

Den Abschluss bildete eine Podiumsdiskussion im Fishbowlformat, die leider recht kurz ausfiel. Hierin wurden die Ergebnisse und Erkenntnisse der Fachtagung noch einmal reflektiert und abschließend eingeordnet.

Literatur:

[1] Frank, Anja; Glaser, Michaela (2018): Biografische Perspektiven auf radikalen Islam im Jugendalter. In: Michaela Glaser, Anja Frank und Maruta Herding (Hg.): Gewaltorientierter Islamismus im Jugendalter. Perspektiven aus Jugendforschung und Jugendhilfe. Weinheim: Beltz Juventa, S. 62–79.

[2] BAG RelEx (2023): Ligante. Fachdebatten aus der Präventionsarbeit. Ausgabe #5. Radikalisierungs-prävention im Kontext gesellschaftlicher Polarisierung. Online verfügbar unter: https://www.bag-relex.de/ligante5/