Am 11. und 12. Dezember 2024 fand das Abschlussmodul der CleaRNetworking-Weiterbildung 2024 statt. Im Mittelpunkt standen die gemeinsame Reflexion und Rückschau auf die vergangenen sieben Fortbildungsmodule sowie die Darbietung von Abschlusspräsentationen. Deren Erarbeitung fand dieses Mal als Barcamp statt. Veranstaltungsort war das Hotel Achat in der Hansestadt Bremen.

Auftakt und Positionierungsübung

Das Modul begann wie gewohnt mit einer Positionierungsübung, um die Teilnehmenden auf die beiden Fortbildungstage einzustimmen. Sören Sponick aus dem CleaRNetworking-Team bat die Teilnehmenden darum, sich gemäß ihrer Zustimmung oder Ablehnung zu verschiedenen Thesen im Seminarraum zu positionieren. Birgt z.B. ein hoher Anteil von Kindern mit Migrationsgeschichte in einer Schule generell ein hohes Risiko für Radikalisierung verschiedenster Couleur, wie es in es häufig in Medienberichten mitunter verbreitet wird? Diese Fragen wurden in der Runde teils kontrovers diskutiert. Einig war sich die Gruppe darin, dass ein hoher Anteil von Kindern mit Migrationsgeschichte in einer Schulklasse kein radikalisierungsförderndes Umfeld per se sei. Denn von einem einzigen Merkmal auf einen Kausalzusammenhang mit Radikalisierung zu schließen, sei deutlich zu kurz gegriffen, hob eine Teilnehmerin hervor. Eine solche Sichtweise widerspräche auch dem Ansatz unseres CleaRNetworking, wonach Radikalisierung stets einen multikausalen und mehrdimensionalen Prozess darstellt. Ursachen für Radikalisierung sind vielschichtig. Während Kinder mit Migrationshintergrund statistisch häufig Rahmenbedingungen ausgesetzt sein mögen, die Radikalisierung begünstigen können, sei es keinesfalls der Migrationshintergrund als solcher, der Radikalisierung befeure. Hier auch sprachlich sensibel zu differenzieren, sei wichtig, um Stigmatisierungen zu vermeiden.

Kollegiale Fallberatung

Im Anschluss an die Positionierungsübung fand eine kollegiale Fallberatung statt. Ein Schultandem stellte einen aktuellen Fall an der eigenen Schule vor, der ihnen Kopfzerbrechen bereitet und zählten auf die beratende Expertise der Anwesenden. Es ging um einen Schüler eines Gymnasiums. Beide Fallgeber:innen hatten unterschiedliche Perspektiven auf den jungen Mann, der gerade kurz vor seinem Abitur steht, wie im weiteren Verlauf des Fallberatung deutlich wurde. Mit Blick auf das Clearingverfahren machte der Fall deutlich, dass die Sicherstellung der psychischen Gesundheit von schulischem Personal und damit auch von Clearingbeauftragten ebenfalls einen wichtigen Teil der Implementierung des Verfahrens in Regelstrukturen darstellt. Denn hier handelte es sich um einen Fall, der eine der beiden Fallgebenden nachhaltig be- und überlastet.

Wie gewohnt wählten die Fallgeber:innen zunächst eine:n Moderator:in, der:die anschleßend eine:n Sprecher:in für die Zusammenfassung der Lösungsvorschläge benannte. Anschließend schilderte das Schultandem dem Plenum den Fall. Es ging um einen Schüler, der bereits mehrfach in der Klasse Amokfantasien geäußert habe und ein in Teilen rechtsextremes Weltbild vertrete. Dass der junge Mann anderen Schüler:innen auf dem Schulhof Videos von Amokläufen vorgespielt und seine Sympathie dafür bekundet habe, sorgte für eine Eskalation und brachte den Fall auf den Schirm der Fallgeber:innen. Dazu kam, dass der Schüler eine große Affinität zu Waffen habe und zudem Stichwaffen sammle, so das Schultandem.

Der Schüler sei bereits vom psyschiatrischen Dienst des Schulamtes untersucht worden, so ein Fallgeber. Das Ergebnis: Von ihm gehe keine unmittelbare Gefahr eines Amoklaufes aus. Trotz dieser medizinischen Einschätzung sei das Klima in der Klasse nach dem Vorfall ein anderes, sagte eine Fallgeberin. In der Klasse sei der Schüler zwar ein Außenseiter, aber akzeptiert. Seine Mitschüler:innen zögen ihn mit. Verständlicherweise hätten sie nach den Äußerungen aber nun Angst vor ihm, was besonders für seine Mitschülerinnen gelte; ebenso die Fallgeberin selbst. Sie wüssten nicht, wie sie mit dem Fall umgehen sollten, zeigten sich die Fallgeber:innen konsterniert. Besonders, da beide zu unterschiedlichen Einschätzungen kamen. Eine:r der beiden hielt den jungen Mann für harmlos, der:die andere vertrat hingegen die Ansicht, dass durchaus ein erhöhtes Anschlagsrisiko bestehe. Vom Plenum wünschte sich das Duo eine Hilfestellung, wie sie in diesem Fall weiter verfahren könnten, auch mit Blick auf die eigene Psychohygiene.

Austausch und fachliche Einschätzung

In der fachlichen Einschätzung stand die Frage im Mittelpunkt: Wie schaffen wir es, dass sich die Schüler:innen und die Lehrer:innen wieder in der Klasse sicher fühlen? Es müsse geklärt werden, welche Ressourcen sich ggf. bei dem Schüler aktivieren ließen, z.B. Freund:innen oder Verwandte, aber auch Angebote der Schulsozialarbeit. Weiterhin könnte ein Amtsarzt konsultiert werden, um ein psychiatrisches Gutachten über den Schüler zu erstellen.

Zudem wurden die Unterschiede in der Fallbewertung zwischen den Fallgeber:innen diskutiert. Diese resultierten vermutlich daraus, dass das Schultandem den Schüler aus unterschiedlichen schulischen Kontexten heraus und zudem unterschiedlich lange kennen würde.

Lösungsvorschläge

Folgende Lösungsvorschläge für die weitere Arbeit mit dem Schüler wurden in der Gruppe diskutiert:

  • Mit dem Schüler in Kontakt bleiben, Interesse an ihm zeigen;
  • Das Umfeld einbeziehen, um relevante Bezugspersonen und Ressourcen zu finden und zu aktivieren;
  • Der Einbezug des Amtsarztes könnte kontraproduktiv sein und die Vertrauensbeziehung zu dem Schüler nachhaltig beschädigen;
  • Ein Gespräch mit der Klasse führen: Was braucht sie?

Die Beziehungsarbeit solle laut dem Plenum in jedem Fall im Vordergrund stehen. Auch sollten die Fallgeber:innen an ihre eigene psychische Gesundheit denken, betonten Teilnehmer:innen.

Die Fallgeber:innen sahen einen möglichen Schlüssel für die weitere Arbeit mit dem Schüler ebenfalls in der Fortsetzung der Beziehungsarbeit. Den Einbezug des Amtsarztes, einen Schulwechsel oder gar eine Ausschulung sah das Duo hingegen als kontraproduktiv an. Besonders der Einbezug des Amtsarztes könne zu einer weiteren ungewollten Eskalation führen. Gleichzeitig müsse auch mit der Klasse gearbeitet werden. Denn diese habe durchaus das Potenzial, als Korrektiv zu fungieren.

Das Barcamp: Ideen sammeln, bearbeiten und umsetzen

An die kollegiale Fallberatung schloss der Hauptteil des Abschlussmoduls an: Ein Barcamp. Dieses lebt von den Ideen, welche die Teilnehmer:innen einbringen und bearbeiten. Anders als bei einer klassischen Gruppenarbeit gibt es keinen fest vorgegebenen Arbeitsauftrag und keine Anleiter:innen. Vielmehr fanden sich die Teilnehmenden eigenständig zu Arbeitsgruppen zusammen, die eigene Fragestellungen im Rahmen eines übergreifenden Themas bearbeiten. Für das Abschlussmodul im CleaRNetworking 2024 lautete dieses Thema: Aspekte schulischer Radikalisierungsprävention. In diesem weiten Feld konnten die Schultandems ihre Ideen verorten.

Mit diesen einführenden Worten läutete unser Projektleiter Dr. Junus el-Naggar die Anliegenphase des Barcamps ein, worin die Teilnehmenden die Ideen für ihre späteren Abschlusspräsentationen sammelten. Hatten die Teilnehmer:innen im vergangenen Jahr feste Aufgaben rund um die Implementierung des Clearingverfahrens an ihren Schulen zu bearbeiten [1], war der Arbeitsauftrag in diesem Jahr offener gestaltet. „Sucht euch aus dem Feld der schulischen Radikalisierungsprävention einen Aspekt aus, den ihr während des Barcamps genauer ausarbeiten wollt“, erläuterte el-Naggar den Arbeitsauftrag. Ziel der Arbeitsphase war eine Erarbeitung von etwas, das die jeweilige Arbeitsgruppe und idealerweise das ganze Plenum über das Ende der Weiterbildung hinaus mitnimmt. Die Teilnehmenden wurden ferner im Sinne der Kurzweiligkeit darum gebeten, sich abwechslungsreicher Darbietungsmethoden zu bedienen; also nicht nur Power Point, Flipcharts oder die Pinnwand zu nutzen, sondern alle möglichen kreativen und unterhaltsamen Methoden. Die Ergebnisse dieser Gruppenarbeiten stellten die Teilnehmenden am zweiten Fortbildungstag während ihrer Abschlusspräsentationen vor.

In der Anliegenphase fanden sich insgesamt sieben Gruppen aus verschiedenen Schultandems zusammen, die ihre Ideen in der anschließenden Arbeitsphase in die Tat umsetzten. Dafür erhielten die Teams den Rest des ersten Fortbildungstages Zeit. Einige Gruppen setzten sich im Vorraum des Seminarraums zusammen, andere nutzten das Foyer des Hotels Achat und wieder andere ein Café in der Bremer Innenstadt.

Für den Abschluss des ersten Fortbildungstages hatte das CleaRNetworking-Team noch etwas Besonderes für die Teilnehmenden geplant: Einen „bunten Abend“, an dem all jene, die Lust hatten, ihre besonderen Talente vorstellen konnten. Gleichzeitig war der Abend eine gute Gelegenheit, um die Fortbildung gemeinsam ausklingen zu lassen und Rückschau zu halten. So stellte ein Teilnehmer sein Können an der Gitarre unter Beweis, eine andere gab ein selbstgeschriebenes Gedicht zum Besten, ein weiterer trug ein „Präventionsmärchen“ in Mundart vor. Zudem zeigte ein Teilnehmer einen eindrucksvollen selbstgedrehten Reisebericht einer Urlaubsreise vor. Der Höhepunkt des Abends war dann das Pubquiz, das zwei Teilnehmerinnen für die Gruppe vorbereitet hatten. In insgesamt fünf Runden mit verschiedenen Kategorien konnten die Schultandems ihr Wissen u.a. in Popkultur, Geographie und Politik unter Beweis stellen.

Die Präsentationen

Der zweite Fortbildungstag stand ganz im Zeichen der Abschlusspräsentationen. Zwei der sieben Gruppen hatten sich im Laufe der Erarbeitung zusammengeschlossen, sodass an diesem Tag insgesamt sechs Gruppen ihre Ergebnisse vorstellten. Sie gingen dabei unterschiedlich vor: Einige Gruppen wählten einen Workshop, während eine weitere Gruppe die Ergebnisse einer am Vortag durchgeführten Straßenumfrage vorstellte.

Gruppe 1: Diversität fördern – Schulidentität entwickeln

Die erste Gruppe widmete sich dem Thema „eine Schulidentität entwickeln“. Diese sei eine gute Möglichkeit, um die Bindung von Schüler:innen an ihre jeweilige Bildungseinrichtung zu fördern. Zur Einstimmung lud die Gruppe das Plenum zu einer gemeinsamen Traumreise ein, bei der sie sich ihre ideale Schulidentität vorstellen sollten. Die Gruppe warb dafür, die Schüler:innenschaft von Beginn an in Entwicklungsprozesse einzubeziehen, etwa durch die gemeinsame Gestaltung eines Schullogos oder die Erarbeitung eines Schulsongs. Demokratische Schulentwicklung werde dadurch erfahrbar und erlebbar und auch darin liege eine Form schulischer Radikalisierungsprävention

In der anschließenden Gruppenphase hatten die übrigen Schultandems 20 Minuten Zeit, um ihre Ideen für die Gestaltung ihrer ganz spezifischen Schulidentität zu sammeln und Wege zu finden, dabei ihre Schüler:innen einzubeziehen. Die Ideen waren vielfältig: Eine Gruppe hatte die Idee eines gemeinsamen Graffitiworkshops, um die Außenwände der Schule zu verschönern, eine andere stellte einen per KI-Software komponierten Schulsong vor, auf dem professionelle Musiker:innen anschließend aufbauen könnten [2]. Eine dritte Gruppe hatte schließlich die Idee eines Schüler:innenwettbewerbs zum Thema Diversität.

Gruppe 2: Der Methoden- und Wertekoffer

Die zweite Gruppe stellte zwei Praxistools vor, um mit Schüler:innen über schwierige Themen ins Gespräch zu kommen. Mit dem Werte- und Methodenkoffer der Landeszentrale für politische Bildung Bayern [3] könnten sich Schüler:innen ab der Mittelstufe spielerisch auf die gemeinsame Reise zu verschiedenen Werten machen, so die Gruppe. Für jede absolvierte Etappe gäbe es einen Stempel im (Werte)Reisepass, woraus sich am Ende eine gut gefüllte Landkarte ergeben würde. Die Übungen könnten entweder im Unterricht oder im Rahmen einer AG durchgeführt werden. Der Koffer ist über die Internetseite der Landeszentrale für politische Bildung Bayern beziehbar.

Als zweites Praxistool stellte die Gruppe ein Positionierungsspiel des Vereins „Gesicht zeigen“ vor. Mit diesem kann schulisches Personal mit Schüler:innen niedrigschwellig über sensible Themen, z.B. Sexualität, Vorurteile oder Stereotype ins Gespräch kommen. Das Spiel kann in zwei Modi gespielt werden:

  • Eine Person zieht eine Karte und liest diese vor (beispielsweise: „Religion ist ein Grund für Radikalisierung“). Anschließend diskutiert die Gruppe darüber, wie ihrer Einschätzung nach der:die Vorleser:in auf die gestellte Frage antwortenwürde.
  • Eine Person zieht eine Karte und liest diese vor. Anschließend diskutiert die Klasse im Plenum über verschiedene Antwortmöglichkeiten.

Für welche Schulformen und Altersgruppen sind die beiden Praxistools geeignet? Diese Frage lasse sich nicht pauschal beantworten, befand das Plenum. So bestehe beim ersten Spielmodus etwa die Gefahr, dass die vorlesende Person durch die ihr zugeschriebenen Antworten stigmatisiert werden könne. Pädagog:innen müssten im Voraus also abschätzen, ob sich das Spiel für ihre Klasse eignet.

Gruppe 3: Das Rollenspiel

Die dritte Gruppe führte gemeinsam mit dem Plenum ein Rollenspiel durch. Das Szenario, das so ähnlich an ihrer eigenen Schule passiert war: Eine Gruppe muslimischer Schüler:innen wendet sich mit dem Wunsch nach einem Gebetsraum in der Schule an die Schulleitung. Die Teilnehmenden schlüpften dabei in verschiedene Rollen, z.B. der Schüler:innen selbst, der Schulleitung, der Lehrer:innen etc. Alle genannten Gruppen hatten unterschiedliche Meinungen zu der Einrichtung des Gebetsraums. Im Rollenspiel selbst galt es nun eine oder mehrere Lösungen zu finden, um möglichst alle Anspruchsgruppen zufriedenzustellen. Auch in dieser Gruppe stand die Beziehungsarbeit mit bzw. zu den Schüler:innen im Mittelpunkt:

  • Wie kriegen wir einen echten Dialog hin?
  • Welche Erwartungen haben die jungen Muslim:innen an den Gebetraum?
  • Inwiefern steht ein rechtlicher Rahmen den Wünschen der Schüler:innen nach Ausübung ihrer Religion entgegen? Oder handelt es sich eher um die nicht-rechtliche Frage danach, was eine Schule will und was nicht?

Das wichtigste sei, die Schüler:innen zunächst einmal offen und unvoreingenommen anzuhören, so das Plenum. Rechtlich gebe es keinerlei Argumente dafür, Schüler:innen einen Raum zu verwehren, zumal er möglicherweise gar nicht nur für gottesdienstliche Tätigkeiten genutzt werde, sondern z.B. als multifunktionaler Raum für alle.

Gruppe 4: Du bist stark

Bewegten sich die ersten drei Gruppen mehr oder weniger im Feld der Demokratieförderung, verortete die vierte Gruppe ihr Projekt direkt in der Radikalisierungsprävention. Sie stellten ihr Konzept einer Mädchen- und Jungengruppe an ihrer Schule vor. Darin sollte den Schüler:innen ein Raum gegeben werden, um ihre eigenen Stärken und Schwächen kennenzulernen und ihre Identitätsbildung zu fördern. Die Idee zu der Gruppe sei auf Wunsch der Schüler:innen an ihrer Schule entstanden, so die Referierenden. Themen der Gruppe sollten sogenannte „Basisthemen“ sein, wie z.B. der Umgang mit den eigenen Gefühlen oder Persönlichkeitsentwicklung, immer gerne auch von den Schüler:innen selbst eingebrachte Themen.

Eine erste Übung konnte das Plenum gleich selbst ausprobieren. Der sogenannte Identitätsbaum soll Schüler:innen dabei helfen, die eigenen Fähigkeiten und Stärken und Schwächen bzw. das, was sie noch an sich verbessern wollen, zu artikulieren.  Der Baum bestand aus drei Teilen:

  • Wurzeln: Was gibt mir Kraft?
  • Stamm: Das kann ich gut.
  • Krone: Daran will ich noch arbeiten

Wie könne schulisches Personal pädagogisch konstruktiv mit Schüler:innen umgehen, denen beim Zeichnen des Baumes nichts einfalle oder die nicht gerne zeichneten? Hier könne man z.B. andere Schüler:innen darum bitten aufzuzählen, was der:die betreffende Schüler:in besonders gut könne oder eine andere Darstellungsform zu wählen, z.B. ein Tagebuch.

Gruppe 5: Taskcard – Materialsammlung

Es gibt zahlreiche pädagogisch wertvolle Angebote, Methoden und Materialien zur schulischen Radikalisierungsprävention. Diese Vielfalt ist Fluch und Segen zugleich. Ob der schieren Masse an Material fällt es schulischem Personal mitunter schwer, das richtige für ihre Klasse(n) auszuwählen. Diesem Problem wollte Gruppe fünf zumindest für das Projektnetzwerk Abhilfe schaffen. Sie stellten verschiedene Beispiele von Angeboten und Methoden guter Praxis vor, um junge Menschen für eine heterogene Gesellschaft mit pluralen Sichtweisen zu sensibilisieren. Etwa die Ausstellung „Was ihr nicht seht“ [4] des Studenten Dominik Lucha, worin Schwarze Menschen auf Social Media über ihre Rassismuserfahrungen berichten und andere Menschen sich deren Lebensrealität nähern können. Die niedrigschwellige Ausstellung kann gegen kleines Geld, ggf. sogar kostenfrei, als Wanderausstellung beim Initiator ausgeliehen werden.

Anschließend stellte die Gruppe eine Materialsammlung auf der TaskCardsvor [5], mit der sich Angebote guter Praxis digital übersichtlich – ähnlich einem Padlet – für ein Kollegium zusammenfassen lassen. Dieses kann sich bei Bedarf die für sie relevanten Angebote einfach herunterladen. Aus Sicht des CleaRNetworking bieten TaskCards, bzw. Padlets damit eine gute Möglichkeit, um Beispiele guter Praxis

  • niedrigschwellig für viele Personen verfügbar zu machen;
  • einfach und kostengünstig vorzuhalten;
  • übersichtlich zu sammeln und aufzubereiten;

Gruppe sechs: Die Straßenumfrage zum Laut- und Leise-Raum

Die sechste Gruppe präsentierte die Ergebnisse einer am Vortag geführten Straßenumfrage in der Bremer Innenstadt zum ebenfalls eigenständig erarbeiteten Konzept eines sogenannten „Laut- und Leise-Raums“. Die Idee dahinter: Ein gemeinsamer Raum für alle Schüler:innen als stiller Rückzugsort, für Andachten und Gebete, aber auch persönliche und politische kontroverse Diskussionen. Ein inklusiver Multifunktionsraum also. Die Idee wurde vom Großteil der Befragten wohlwollend aufgenommen, auch wenn sie ein gewisses Konfliktpotenzial ob der vielen geplanten Nutzungsmöglichkeiten sahen.

Eine solche Umfrage in der Schulgemeinschaft könne dabei mehreres bewirken, so die Gruppe:

  • Bedarfe/Erwartungen von Schüler:innen an den Raum erheben;
  • Die Schüler:innen mitnehmen und ihnen Raum zur Mitgestaltung geben;
  • Die Akzeptanz des Raums a priori erhöhen;
  • Den Initiator:innen Argumente an die Hand geben, um die Schulleitung und ggf. weitere Kritiker:innen zu überzeugen;

Die Schüler:innen müssten von Beginn an in die Planung eines solchen Raumes einbezogen werden, so die Referierenden, um Transparenz zu schaffen. Wichtig seien in jedem Fall klare Nutzungsregeln sowie „das Recht auf die Flüchtigkeit des gesprochenen Wortes“. Anders formuliert: In einem solchen Raum dürften, ja sollten Schüler:innen auch einmal etwas „Dummes“ sagen dürfen, ihre Ansichten und Meinungen austesten dürfen, ohne dass dies gleich problematisiert oder gar sanktioniert werde.

Universell, selektiv, indiziert

In der Gesamtschau betrachtet ließ sich der Großteil der Präsentationen dem Feld der Demokratieförderung bzw. der universellen Prävention zuordnen. Also jener Präventionsebene, die ansetzt, bevor bei den Zielgruppen manifeste Problemmerkmale auftauchen. Die Präsentationen stellten somit eine gute Ergänzung zu unserem Clearingverfahren dar, das an der Schnittstelle zwischen selektiver und indizierter Prävention ansetzt. Also nachdem bereits manifeste Problemlagen aufgetreten sind, aber bevor sich Personen z.B. einer radikalen Gruppe anschließen. Die Präsentationen zeigten auf vielfältige und kreative Weise, wie sich Bindungsarbeit und Demokratieförderung mit Schüler:innen befördern lässt, um eine offen-demokratische und ambiguitätstolerante Lebensweise bei diesen zu fördern.

Stadtrallye, Abschluss und Zertifizierung

Den formalen Abschluss des zweiten Fortbildungstages bildete wie schon im vergangenen Jahr eine Stadtrallye. Dabei liefen die Teilnehmer:innen verschiedene Sehenswürdigkeiten der Bremer Innenstadt ab, um dort kleinere oder größere Aufgaben zu erfüllen. Die erfolgreichsten drei Teams wurden im Anschluss prämiert. Danach bat das CleaRNetworking-Team die Gruppe zu einer letzten Feedbackrunde. Im Raum verteile hatte das Team die Daten der acht Fortbildungsmodule verteilt und bat die Teilnehmer:innen darum, sich gemäß verschiedener Fragen zu positionieren. Eine Auswahl:

  • Von welchem Modul habe ich am meisten mitgenommen?
  • An welchem Modul war der Austausch mit den Teilnehmer:innen am intensivsten?
  • Über welches Modul habe ich am meisten nachgedacht?

Anschließend war es so weit: Die Verleihung der Teilnahmezertifikate stand an. Junus el-Naggar und Sören Sponick überreichten den Teilnehmer:innen ihre Urkunden und fassten gemeinsam mit Zöhre Yari noch einmal kurz die wichtigsten Punkte des Jahres zusammen. Mit diesen Zertifikaten dürfen sich die Teilnehmer:innen nun offiziell Clearingbeauftragte nennen. Nach diesem krönenden Abschluss und einem gemeinsamen Gruppenfoto eines besonderen Jahrgangs, ging die CleaRNetworking-Weiterbildung 2024 zu Ende.

Die Fortbildung mag zu Ende sein, für die 28 neuen Clearingbeauftragten fängt die Arbeit hingegen erst an. Sie stehen nun vor der spannenden und herausfordernden Aufgabe – oder sind schon mittendrin – ,das Clearingverfahren an ihren Schulen zu implementieren. Dabei können Sie auf ein starkes Netzwerk aus vielen bundesweit miteinander vernetzten Schulen zurückgreifen. Oder anders: Willkommen im CleaRNetwork.

 

Literatur

[1] CleaRNetworking (2024): „Wertvolles Engagement, das weitergehen wird“: Abschlussmodul des Weiterbildungsdurchgangs 2023, 21.02.24 – 22.02.24, Hannover. Online verfügbar unter: https://www.clearing-schule.de/wertvolles-engagement-das-weitergehen-wird-abschlussmodul-des-weiterbildungsdurchgangs-2023-21-02-24-22-02-24-hannover/

[2]  https://suno.com

[3] Landeszentrale für Politische Bildung Bayern (2023):  Wertereisekoffer – Materialien zur  Weiterbildung mit Kindern. Online verfügbar unter: https://www.blz.bayern.de/wertereisekoffer–materialien-zur-wertebildung-mit-kindern_p_390.html.

[4] Lucha, Dominik (o.J.): Was ihr nicht seht. Online verfügbar unter: https://wasihrnichtseht.de/.

[5] https://schulen-krefeld.taskcards.app/#/board/fc90f244-08c3-4d85-a37b-f70917221bd6?token=0909cba3-47c8-40f4-bb3d-224f6c2f29ff