(Schulische) Präventionsarbeit und Kinder- und Jugendschutz zusammendenken – unter diesem Motto stand die zweite Ausgabe des neuen digitalen Gesprächsformats „CleaRExchange“ am 02.10.2024. CleaRExchange verfolgt das Ziel, schulischem Personal mit regionalen und überregionalen Präventionsakteur:innen ins Gespräch und ihnen die jeweiligen Angebote näherzubringen, damit sie sie für ihre schulische Radikalisierungsprävention nutzen können.

Gästinnen waren dieses Mal Saskia Lanser und Melanie Weißenberg von der Arbeitsgemeinschaft- Kinder und Jugenschutz NRW (AJS) [1]. Die Hauptaufgabe der AJS NRW besteht in der Förderung des gesetzlichen und erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes in NRW. Neben Weiterbildungsangeboten für Fachkräfte der Jugendhilfe erstellen die Mitarbeiter:innen Expertisen und Stellungnahmen für Politik und Verwaltung.

Das Projekt Plan-P.

Den thematischen Schwerpunkt des Abends bildete das Projekt „Plan P. – Jugend stark machen gegen islamistische Radikalisierung“ [2]. Ziel des Projektes ist es, ähnlich wie im CleaRNetworking, Fachkräften der Jugendhilfe das notwendige Wissen über islamistische Radikalisierung zu vermitteln und sie und sie bei der Implementierung lokaler Präventionsprogramme und präventiver Netzwerke in Nordrein-Westfalen zu unterstützen. Weiterhin geht es darum,

  • Menschen in den Regionen Nordrhein-Westfalens zu unterstützen
  • Den Austausch und die Kommunikation zwischen Fachkräften und Einrichtungen zu fördern
  • (Eigenes) Wissen zu teilen
  • Die eigenen Angebote bekannt(er) zu machen
  • Neuer Kooperationspartner:innen kennenzulernen und
  • Neue Projekte in der Prävention anzustoßen

Dazu bietet die AJS Fachkräften eine jährliche themenspezifische Fortbildung an, in der jene einen tiefen Einblick in die salafistische in NRW und Deutschland sowie über Codes und Mobilisierungsstrategien erhalten. Absolvent:innen der Fortbildung werden anschließend Mitglieder im nrw-weiten Plan-P.-Netzwerk. Ideologische Gefährdungen seien für die AJS bereits in den 1990ern ein Thema gewesen, so die Referentinnen. Daher sei Prävention im ideologischen Bereich nichts Neues für die AJS.

(Schulische) Präventionsarbeit und Kinder- und Jugendschutz gehören zusammen

Die Projektvorstellung bildete den Einstieg in eine ausführlichere Diskussion über das Verhältnis von (schulischer) Präventionsarbeit und Kinder- und Jugendschutz. Dieser habe u.a. die Aufgabe, die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen in den Blick zu nehmen und daraus mögliche Unterstützungsbedarfe abzuleiten. Etwa im Hinblick auf potentielle Gefährdungssituationen. Ein weiteres Ziel sei es, Handlungssicherheit für im Kinder- und Jugendschutz tätige Fachkräfte zu vermitteln, Kinder und Jugendliche in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu bestärken sowie zu ihren Bedarfen und Interessen in politischen Diskussionen Stellung zu beziehen.

Eine wichtige Grundlage des Kinder- und Jugendschutzes und zugleich eine Schnittstelle zur (schulischen) Präventionsarbeit sei der Auftrag, Minderjährige vor ideologischen Gefährdungen durch konfliktträchtige religiöse oder politische Gruppen zu schützen, so die Referent:innen. Das Sozialgesetzbuch schreibe diesen Schutz- und Erziehungsauftrag ebenfalls dezidiert vor. Dort heiße es, Maßnahmen des Kinder- und Jugendschutzes sollten:

„junge Menschen befähigen, sich vor gefährdenden Einflüssen zu schützen und sie zu Kritikfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit sowie zur Verantwortung gegenüber ihren Mitmenschen führen“,[3]

sowie

„Eltern und andere Erziehungsberechtigte besser befähigen, Kinder und Jugendliche vor gefährdenden Einflüssen zu schützen“ [3].

Ein auf diese Weise verstandener erzieherische Jugendschutz sei unvereinbar mit der ideologischen Agenda salafistischer Akteur:innen, so die Referentinnen. Pädagogische Fachkräfte wären sich mitunter jedoch unsicher, wie sie radikale Äußerungen in Unterrichten adäquat thematisieren sollten, weil sie sich selbst zu wenig Wissen über die jeweiligen Phänomene zuschrieben. Dieser Sichtweise entgegnete Lanser: „Man kann Themen erst dann wirklich thematisieren, wenn man weiß, was man thematisiert“. Zugleich müsste pädagogisches Personal sich aber auch regelmäßig selbstkritisch fragen und dies auch gegenüber Schüler:innen, Eltern oder inner- wie außerschulischen Akteur:innen entsprechend vertreten, ob eine von ihnen als problematisch betrachtete Handlungsweise oder Aussage ein Aspekt für das persönliche Bauchgefühl sei oder eher ein ‚professionelles Gefühl‘. Aus Sicht des CleaRNetworking lässt sich dieser Ansicht nur zustimmen. Auch schulisches Personal tut gut daran, die eigenen Ansichten und Bewertungen von Handlungen oder Aussagen regelmäßig selbstkritisch zu reflektieren und ggf. zu revidieren. Abschließend hatte das Referentinnenduo noch einige Praxistipps für schulisches Personal in der Radikalisierungsprävention parat:

  • „Taten lassen sich einordnen, Menschen aber nur schwer“!
  • Taten benennen, Handlungen, Äußerungen benennen, nicht aber Einstellungen, die man von außen nicht sehen kann
  • Die eigenen Begrifflichkeiten und Sichtweisen regelmäßig reflektieren

Über andere Perspektiven ins Gespräch kommen

Zum Abschluss des Abends hatten Lanser und Weißenberg einige Reflexionsfragen mitgebracht. Dieses sollten als Denkanstöße dienen, so die Referentinnen, um sich -durch die Reflexion über die eigene Vergangenheit –  in die Perspektive sich radikalisierender Schüler:innen hineinversetzen zu können:

  • Was war einer Ihrer größten Erfolge in der Jugendzeit?
  • Was war eine der gefährlichsten Aktionen, die Sie in ihrer Jugend erlebt haben?
  • Welche Person hat Sie in ihrer Jugend am meisten unterstützt? Welche Eigenschaften haben Sie an dieser Person am meisten geschätzt?
  • Welche Themen haben Sie ihn ihrer Jugendzeit beschäftigt, die sie bis heute prägen?

Diese Fragen ließen sich in abgewandelter Form auch für die Arbeit mit Jugendlichen verwenden, betonten die Referentinnen. Etwa, wenn es darum gehe über gemeinsame – bzw. verschiedene – Erfahrungsräume, Generationenlagerungen oder Werte ins Gespräch oder diese überhaupt erst einmal zur Sprache zu bringen- An diese niedrigschwelligen Einstiegsfragen, könnten pädagogisches Handeln und Beziehungsaufbau zu den Schüler:innen aufbauen. Mit der Reflexionsrunde ging die Veranstaltung mit einem lockeren, aber auch sehr persönlichen Erfahrungsaustausch über Erfahrungen, Themen und Werte aus der Jugendzeit der Teilnehmer:innen zu Ende.

 

Literatur:

 

[1] Aktion Kinder- und Jugendschutz NRW (o.J.): Über uns. Online verfügbar unter: https://ajs.nrw/ueber-uns/.

[2] Aktion Kinder- und Jugendschutz NRW (o.J.): Plan-P.. Online verfügbar unter: https://ajs.nrw/plan-p/.

[3] Bundesministerium der Justiz (o.J.): Sozialgesetzbuch (SGB) – Achtes Buch (VIII) – Kinder- und Jugendhilfe – (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163). §14 Erzieherischer Kinder- und Jugendschutz. Online verfügbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_8/__14.ht