Am 18.06.2024 referierte Dr. Hande Abay Gaspar vom Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhang für das Demokratiezentrum des Landes Bremen zum Thema „Rassismuskritische Perspektiven auf die Islamismusprävention“. Auch das CleaRNetworking-Team war vertreten und sammelte wertvolle Erkenntnisse für das Projekt. Als Akteur:innen der Radikalisierungsprävention versuchen wir kontinuierlich, die eigene Arbeit rassismuskritisch zu reflektieren und unsere Teilnehmenden entsprechend zu sensibilisieren. Das dritte Modul unserer Weiterbildung verfolgt einen rassismuskritischen Ansatz. Der Bericht des diesjährigen Moduls kann hier abgerufen werden.

Abay Gaspar machte etwa auf die terminologische Assoziierung des Islamismus mit „dem Islam“ aufmerksam, die Muslim:innen grundsätzlich stigmatisiert, zumal es keine vergleichbaren sprachlichen Konstrukte mit Bezug zu anderen Weltreligionen gibt. Das Projekt CleaRNetworking bevorzugt daher den Begriff der religiös begründeten Radikalisierung. Durch sprachliche Sensibilität kann auch pädagogisches Personal teils gar nicht intendierte Stigmatisierungen vermeiden.

Risikogruppen würden darüber hinaus durch (vermeintliche) Herkunft oder Religionszugehörigkeit gekennzeichnet. Diese Beobachtung teilen wir aus Projektperspektive insofern, als Schulen und deren Personal pädagogische und darüberhinausgehende Herausforderungen auf einen hohen Anteil migrantisch gelesener bzw. muslimischer Schüler:innen zurückführen. Herkunft oder Religionszugehörigkeit werden so zum Grund für herrschende Probleme erklärt, wobei der Fokus wegführt etwa von autoritären Erziehungsmodellen, Arbeitslosigkeit der Eltern oder Armut.

Abay Gaspar ging auch auf an Muslim:innen gerichtete „Aufforderungen zur Gewaltdistanzierung und sicherheitsbehördlicher Zusammenarbeit“ ein. Auch hier sehen wir aus Projektsicht eine Gefahr der Stigmatisierung, denn Aufforderungen zur Gewaltdistanzierungen unterstellen eine grundsätzliche Nähe zur Gewalt. Und auch Forderungen, etwa mit der Polizei zu kooperieren, lokalisieren ein grundsätzliches Gefahrenmoment bei Muslim:innen. Abay Gaspar sprach in diesem Zusammenhang von der Gefahr einer „Versicherheitlichung der Integrationsarbeit“.

Sie wies zudem auf Gefahren der „Verknüpfungen von Integrationsarbeit mit Islamismusprävention“, der „Förderung politischer Bildungsarbeit unter dem Label Islamismusprävention“ und der „Verortung der Islamismusprävention bei Flucht/Migration“ hin. Aus Projektsicht empfehlen wir unseren teilnehmenden Schulen, Gefahren und möglichen mit dem Label der Prävention verbundenen Schaden im Blick zu haben. Weil Prävention sich grundsätzlich auf Gefahren, auf Verhindern und auf Risiken bezieht, halten wir es für wichtig, auch positiv ausgerichtete Ziele in die Präventionsarbeit einfließen zu lassen, also nicht nur gegen etwas zu arbeiten, sondern auch für „Ambiguitätstoleranz, demokratische Haltung, die Offenheit für neue Perspektiven und individuelle Ressourcen“.

Handlungsbedarf sah Abay Gaspar auch bei den Wissensbeständen von Multiplikator:innen über vermeintliche Radikalisierungsindikatoren. Diese greifen wir in unserer Weiterbildung auf und reißen sie auch auf unserer Webseite an.

Abay Gaspar präsentierte auch Lösungsansätze. Neben zahlreichen Strukturen und politische Akteur:innen adressierenden Vorschlägen, lassen sich etwa die folgenden von ihr erwähnten auch für schulisches Personal aufgreifen:

  • Allgemeine Zielgruppendefinition statt Hervorhebung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen
  • Durchführung von professionellen Clearingverfahren
  • Einbeziehung der Zielgruppenperspektive in die Gestaltung von Präventionsprojekten
  • Vermehrt phänomenübergreifende Präventionsansätze

Der Vortrag zeigte diverse Baustellen der Islamismusprävention auf und brachte sowohl recht abstrakte Lösungsansätze vor, die sich an die Politik richten, als auch solche, die von schulischem Personal niedrigschwellig genutzt werden können.